Einzelausstellung

Kurt Schwerdtfeger
Zeichnungen und Skulpturen
1922 – 1966

10. November – 09. Dezember 2007

Eröffnung am 10. 11. 2007, 17.00 Uhr
Einführung: Michael Stoeber
Unter der Schirmherrschaft des
Präsidenten der Universität Hildesheim
Prof. Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich

Beiprogramm:
Führungen
Aufführung des Films
»Das reflektorische Farblichtspiel«
28.11. -20.00 Uhr durch
Prof. Stefan Schwerdtfeger




Abb. Titel: >Selbstportrait<, ca. 1962
Betonguss, Foto: Olaf Raschke


 



Wir freuen uns, mit dieser Ausstellung erstmals in einer Retrospektive das Oeuvre eines Künstlers zeigen zu können, der in seiner neuen Heimat Niedersachsen gleich nach dem Kriege das Erbe des Bauhauses
gepflegt hat.
Wie kaum ein anderer dieser Künstlergeneration hat Kurt Schwerdtfeger den Bauhausgedanken - und hier besonders die Lehre von Johannes Itten - weiterentwickelt und durch seine Tätigkeit als Professor für Kunsterziehung in die Schulen getragen. Sein Buch >Bildende Kunst und Schule< war lange Zeit das Standardwerk für die musische Bildung der deutschen Schullandschaft.
Ganz besonders freue ich mich, dass ich meinem ehemaligen Lehrer hier im Kunstgebäude mit dieser Ausstellung „Danke!“ sagen kann für seine menschliche Wärme und sein mitreißendes Engagement für die Kunst. Meine Mitarbeit am reflektorischen Farblichtspiel, die 1966 mit der Aufführung im Bauhausarchiv Darmstadt einen Höhepunkt fand, ist mir ein unvergessenes Erlebnis.
Diese Ausstellung wäre aber nicht zustande gekommen ohne das Engagement der Familie Schwerdtfeger, aus deren privaten Fundus die Ausstellungsstücke stammen. Ganz herzlich danke ich dafür.
Dem Präsidenten der Universität Hildesheim Herrn Professor Dr. Friedrich sage ich Dank, dass er den Schirm über unser Vorhaben hält und dem Direktor des Schlossmuseums in Czczecin, Herrn Professor Eugeniusz
Kus danke ich für seine Bereitschaft, diese Ausstellung auch in seinen Räumen zeigen zu wollen.

Hans-Werner Kalkmann

 

Kurt Schwerdtfeger, der Bildhauer


Der Bauhausschüler Kurt Schwerdtfeger hat in seinen unterschiedlichen Schaffensperioden vor und nach dem 2. Weltkrieg ein umfangreiches Oeuvre geschaffen, aus dem besonders seine Skulpturengruppen in hervorragender Weise zu nennen sind. In ihnen nimmt er Entwicklungen vorweg, die später andere Künstler aufnahmen und weiterentwickelten.

Dieses „plastische Denken“ Schwerdtfegers manifestiert sich neben vielen anderen besonders in einer Kleinplastik, die eine Gruppe von Kriegern darstellt, die sich mit Schilden vor einem Angriff schützen. Bekannt geworden ist diese Verteidigungstechnik ja durch die Römer, die sie >Schildkröte< nannten, womit das Bilden eines Panzers gemeint war.

Die Bronzeskulptur zeigt 6 stark stilisierte männliche Figuren von denen man nur die Köpfe und die Füße sieht. Der Rest ist durch Schilde abgedeckt. Alles zusammen bildet eine organisch miteinander verschmolzene Einheit. Diese Einheit ist von allen Seiten her und auch von oben betrachtbar, was ein weiteres Merkmal schwerdtfegerischer Skulpturen ist – es gibt keine Ansichtsseite.

Schwerdtfeger treibt den Abstraktionsprozess bei dieser Skulptur so weit, dass sich bei der Draufsicht auf diese Bronze aus der Kriegergruppe eine geöffnete Blüte entwickelt – und Blütenskulpturen, geöffnet oder als Knospe, hat er ebenfalls geschaffen, denn es ist das Leben, das ihn interessiert und aus dem er seine Motive schöpft. Diese Motive verdichtet er dann zu einem Konzentrat, das mit Stein, Beton oder Bronze in Form gebracht im Raum eine eigenständige Wirklichkeit entwickelt. Der in unserem kollektiven Gedächtnis gespeicherte Formenkanon findet so individuelle Anknüpfungspunkte die helfen, einen Zugang zur Skulptur zu finden und somit unsere Weltsicht zu bereichern und zu erweitern.


Bild3

 

Krieger-Bluete

 

krieger

 

 

Das Reflektorische Farblichtspiel

Filmstill aus dem Film von 1968Kurt Schwerdtfeger hat als Student am Bauhaus in Weimar 1922 das „Reflektorische Farblichtspiel“ entwickelt.
Das in langwierigen Versuchen gefundene Prinzip ist denkbar einfach.
Von einer Lichtebene aus wird über eine Schablonenebene farbiges Licht auf eine Reflektionsebene gestrahlt, auf der dann farbige Schablonenformen erscheinen.
Die Lichtquellen und die Schablonenformen werden von Mitspielern nach einer Partitur bewegt, sodass sich ein scenarischer Ablauf der Farbmischungen, Überschneidungen und Verwerfungen von Formen und Farben ergibt.

Die Uraufführung fand in der Wohnung von Kandinsky statt und wurde außerdem 1922 am Bauhaus in Weimar aufgeführt und 1923 im Jenaer Theater als Teil der Bauhausbühne während der Bauhauswoche. Eine
Dokumentation hierüber befindet sich im Bauhausbuch 1919-1923 und in weiteren Bauhausbüchern.
Im Jahr 1924 fanden mehrere Aufführungen an den „Sturmabenden“ Herwarth Waldens in Berlin und später an der Kunstgewerbeschule in Stettin, an der Kurt Schwerdtfeger lehrte, statt

Nach 1945 hat Schwerdtfeger die „Reflektorischen Farblichtspiele“ mit Studierenden der Pädagogischen Hochschule Alfeld (jetzt Universität Hildesheim) rekonstruiert.
1966 fand die erste Aufführung im Bauhausarchiv Darmstadt statt und kurz nach seinem Tod eine Wiederholung im Kunstverein Hannover, wo dann der Anstoß zur filmischen Dokumentation gegeben wurde, die 1968 erfolgte.
In den letzten Jahren, im Zusammenhang mit der Bedeutung von Videokunst, wurde dieser Film auf internationalen Lichtkunstausstellungen im Centre Pompidou in Paris und im KZM in Karlsruhe gezeigt, um damit auf die Ursprünge der Lichtkunst hinzuweisen.

Stefan Schwerdtfeger

 

Kurt Schwerdtfeger
1897 geboren in Hinterpommern
1914-18 Soldat im 1. Weltkrieg
1920-24 Studium der Bildhauerei am Bauhaus
1924-33 Ausstellungen in der Berliner Sezession, Novembergruppe,
Stettiner Landesmuseum Metropolitan Museum New York, Paris, Aufträge für Kunst am Bau
1925 Leiter der Bildhauerklasse an der Kunstgewerbeschule in Stettin
1937 Entlassung aus dem Lehramt, Entfernung der Arbeiten aus den
Museen, Diffamierung durch das NS-Regime
1939-45 Soldat im 2.Weltkrieg,
1945 Verlust sämtlicher Arbeiten in Stettin
ab 1946 Professor für Kunstpädagogik an der PH Alfeld, (jetzt Universität
Hildesheim), Neubeginn der künstlerischen Tätigkeit als Bildhauer, Ausstelllungen im In- und Ausland, Kunst am Bau
1953 Mitglied im Deutschen Künstlerbund
1964-66 Rekonstruktion des „Reflektorischen Farblichtspiels“
1966 gestorben in Hildesheim-Himmelsthür