OWUSU-ANKOMAH
»MICROCRON BEGINS«

(06. September  – 05. Oktober 2014)

Zur Eröffnung  am Samstag
den 06. September 2014 um 17 Uhr

sprechen Heike Flerlage und Hans-Werner Kalkmann mit dem Künstler über seinen neuen Werkzyklus.

Öffnungszeiten:
Sa 15 – 18 Uhr
So 11 – 18 Uhr
und  nach Terminabsprache
Führungen finden nach persönlicher Anmeldung statt.

Es erscheint ein Katalog-Buch
(deutsch/englisch) in Ko-Produktion mit der

October Gallery, London (GB)
Galerie Simoncini, Luxemburg (L)
Galeria Saro León, Las Palmas de Gran Canaria (E)
und Skoto Gallery, New York (USA)

mit Texten von Oluwatoyin Vincent Adepoju, Gerard Houghton, Hans-Werner Kalkmann, Moyo Okediji, Owusu-Ankomah, Rikki Wemega-Kwawu

Hardcover, ca. 320 Seiten mit 90 Farbabbildungen
Preis während der Ausstellung: 25,00 EUR
(im Handel 35,00 EUR)


Microcron Begins - Micra"Genecode

>Microcron Begins - Micra"Genecode"<; 2012 
Acrylic on Canvas 
190 x 200 cm
Courtesy Artco Gallery

Foto: Joachim Fliegner 

owusu

Hier können Sie den Katalog direkt beim Kunstverein (25,- € zzgl. Versand) bestellen!

Wir danken dem Künstler, allen Inhabern der im Katalog benannten Sammlungen und den internationalen Galerien, die diese Ausstellung durch ihre Leihgaben ermöglichten und der >Stiftung Kunstgebäude Schlosshof Bodenburg< für die Bereitstellung des Gebäudes.


Diese Ausstellung wird gefördert von:
Kulturbeirat der Stadt Bad Salzdetfurth
Landschaftsverband Hildesheim e.V.
Landkreis Hildesheim

"Durchblick" Stiftung Kunstgebäude Schlosshof Bodenburg
Abb. Skulptur >Durchblick<, Bodenburg 2010


Hans-Werner Kalkmann

>MICROCRON, oder: …das Nichterklärbare zur Bild-Sprache bringen<

Hoch über einem Ensemble denkmalgeschützter Bauten im Zentrum von Bodenburg schwebt eine Lichtgestalt. Es ist eine Skulptur des in Ghana geborenen Künstlers Brother Owusu-Ankomah, die einzige Skulptur übrigens, die von ihm im öffentlichen Raum steht. Der Kunstverein konnte sie 2010 mit Hilfe einer privaten Spende installieren. Seit dem begrüßt sie die Besucherinnen und Besucher unseres Kunstgebäudes mit ausgebreiteten Armen. Ihr Titel: >Durchblick<.  
Und man kann tatsächlich durch sie hindurch blicken, den blauen Himmel sehen, die weißen Zirruswolken oder das Dunkelgrau des heranziehenden Gewitters beobachten.
Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die gitterähnliche Struktur der Figur aus Zeichen besteht, aus Symbolen, vielleicht sogar aus uns unbekannten Schriftzeichen, und damit gelangen wir zum unverwechselbaren Kennzeichen der Bildwelt eines ungewöhnlichen Künstlers, meines Freundes Brother Owusu-Ankomah.
Seit vier Jahren arbeitet er an einem Werkzyklus, den wir erstmalig unter unserem Sattelschwingdach im Gesamtzusammenhang zeigen können. Danach gehen die Bilder zu den Sammlern oder in die Galerien in Luxemburg, London oder New York und tragen seine aus Zeichen und Symbolen bestehende Botschaft in die Welt.
In seiner künstlerischen Laufbahn entwickelt der Maler schon sehr früh eine Bildsprache, bei der er den menschlichen Körper mit unterschiedlichen Zeichen und Symbolen konfrontierte. Diese stammten zunächst aus dem Kulturgut seiner Heimat Ghana, dem Asante System der Adinkra Zeichen. Später griff er auf andere Kulturkreise zurück oder erfand eigene Symbole die die Figuren umspielten oder auch durchdrangen. Dabei „verschwanden“ diese scheinbar in einem Netz von Symbolen, wurden jedoch bei längeren Betrachten wieder sichtbar.
Der neue Werkzyklus ist gekennzeichnet durch ein Kreissymbol, das auf jedem Bild sichtbar ist. Das erste Werk daraus mit dem Titel >Cosmic Seed< zeigte Owusu-Ankomah in unserer internationalen Gruppenausstellung mit dem Titel >HORTUS MEDICUS< im Jahre 2009. Ein kosmisches Samenkorn im >Garten der Heilpflanzen< konnte nur als Programm für ein künstlerisches Vorhaben verstanden werden, das mehr war, als die malerische und formale Auseinandersetzung mit Farbe und Form.
Der Künstler versteht diesen aus zwölf kleineren Kreisen bestehenden Kreis, dieses Samenkorn, und das er MIRCROCRON nennt, wie eine Weltformel, zu der sich seine Figuren auf unterschiedlichste Art in Beziehung befinden.
Es ist jedoch kein Symbol wie das Tai-Gi oder der Weltschlüssel >I-Ging<, die wir ja als feststehende und unveränderbare Zeichen kennen. Sein >Cosmic Seed< ist in unterschiedlichen Situationen und Begegnungen mit den Menschen einer ständigen Veränderung unterworfen, die allerdings niemals das Wiedererkennen unmöglich macht.
Bevor wir uns jedoch den Handlungen und Verhaltensweisen der Menschen in den Bildern des Künstlers genauer zuwenden, ist es hilfreich, die innere Logik dieses Werkzyklusses zu erforschen, der ja, wie bereits beschrieben mit dem Werk >Cosmic Seed< von 2009 beginnt. Ein leeres, grünes Bild, so meint man, doch dann schält sich aus dem formatfüllenden Grün eine aus Punkten, besser: kleinen Kreisen bestehende Kreisform heraus. Dass dieser Zyklus sich bereits in Werken der Jahre 2004 bis 2008 ankündigte, soll hier noch angemerkt sein.
Wir „kennen“ diese Form. Sie begleitet unseren Alltag vom frühen Morgen an bis hoch in den Raum aus Blau über den Wolken, wenn unser Blick durch das Kabinenfenster auf die Tragflächen des Flugzeuges fällt und wir sehen, wie die Bleche miteinander vernietet sind. Als wir noch mit Wählscheibe unseren Telefonanruf begannen, brachten wir diese Lochscheibe in eine kreisende Bewegung, bei der man sogar an der Länge des Drehgeräusches noch einmal die gewählte Zahl wiedererkennen konnte. Beim Blick auf die analoge Armbanduhr begegnen uns die Punkte, und da es zwölf sind, denken wir an zwölf Monate, zwölf Apostel oder die zwölf Tierkreiszeichen. Die Zwölf ist eine Zahl, deren Gewicht bis in die Zeit der ersten Hochkulturen des Zweistromlandes zurückverfolgt werden kann. Ihr erstes Erscheinen liegt im Dunkel, es ist jedoch anzunehmen, dass sie ihre Bedeutung aus der aufmerksamen Beobachtung von Naturerscheinungen erhielt, und sie so zu einer heiligen Zahl wurde.
Über dieser Kreisform ist eine kleine, menschliche Figur zu sehen, eher noch zu erahnen, da sie farblich mit der Grundfarbe des Bildes fast übereinstimmt.
Wir haben es also auf dem scheinbar leeren Bild mit drei formalen Bildelementen zu tun, der Farbe Grün, dem Kreis und der menschlichen Figur.
Schauen wir uns einen Kreis etwas genauer an. Wann ein Mensch erstmalig einen Kreis gezeichnet hat, lässt sich nicht sagen. Es wird sehr früh in der Menschheitsgeschichte gewesen sein. Wichtige Vorbilder hierfür hatte er am Tag oder in der Nacht vor Augen. Besonders die sich verändernde Kreisform des Mondes und der damit zusammenhängende Wechsel der Jahreszeiten werden die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, was schließlich zu der Zeitmessung (12 Monate) führte. Die hatte spätestens mit der Aufgabe der nomadisierenden Wanderungen und dem folgenden Sesshaftwerden große Bedeutung. Nicht zuletzt die außergewöhnliche Kraft und lebensbeeinflussende Wirkung dieser beiden kreisförmigen Gestirne wird dazu geführt haben, dass man dem Kreis als Form eine Sonderstellung unter allen Formen gab. Er wurde als vollkommen angesehen und mit dieser Vollkommenheit auch zur Heraushebung besonderer Personen oder Göttinnen und Göttern meist als leuchtende Scheibe eingesetzt, womit seine Herkunft, die Sonne als Zentrum der lebensspendenden Energie und übermenschlichen Kraft, erneut zur Darstellung kam.
Wie schon angedeutet, so malt der Künstler sein Samenkorn als >Cosmic Seed< immer in einer besonderen Konstellation zu den Menschen. Anders gesagt: er malt die Menschen in ganz unterschiedlichen Haltungen zum MICROCRON. Diese Menschen sind nackte, kraftvolle Männer, die jedoch nicht nackt erscheinen, denn Owusu-Ankomah bekleidet sie mit Zeichen. Wir kennen das uralte Phänomen der Körperbemalung in vielen Regionen dieser Erde, das ja zurzeit auf andere Weise in den vielen Tattoo-Shops eine Renaissance erlebt, die Motivation hierfür jedoch eine ganz andere ist.
Bei Brother Owusu-Ankomah begegnen die Menschen dem Microcron mit einer konzentrierten Aufmerksamkeit. Ihre Bewegungen erscheinen verlangsamt und ganz entspannt. Sie sind geerdet. Selbst wenn Sie schlafen, scheinen sie sich auf das Microcron auszurichten.
Für den Betrachter strahlen die Bilder eine „aktive Ruhe“ aus. Die Gesichter der Personen sind gelöst, sie lächeln oder scheinen etwas sagen zu wollen. Die Hände zeigen auf das Zeichen oder einen der kleinen Kreise im Zeichen. Manchmal berühren sie es. Aus ihrer Körpersprache ist abzulesen, dass sie sich wohlfühlen.
Der Künstler hat seinen Werken Titel gegeben. Es handelt sich dabei um englische Titel und um Begriffe, die wir nicht kennen, denn sie entstammen seiner Muttersprache. Mit diesen Titeln gliedert er den Zyklus in Gruppen mit unterschiedlichem Umfang.
Nach dem ersten Werk, das ich ja bereits beschrieb, bildet die Bildgruppe >Prelude to the Microcron< (2010) den Auftakt. Sie besteht aus 33 Werken, gefolgt von >Mekra< und >Kundum-Kusum< (2011). 2012 beginnt er die aus 19 Bildern bestehende Gruppe mit dem Titel: >Microcron begins<, der er zwei Werke mit den Titeln: >Genecode< und >Mfuma< voranstellt. Im gleichen Jahr malt er den aus 14 Werken bestehenden Block  >Microcron Nsu<. 2013 folgen dann die Werke 5 bis 19 von >Microcron begins<.

Wer diesen Zeitraum von 4 Jahren und die zahlreichen darin entstandenen Werke sieht erkennt schnell, dass hier ein Mensch gearbeitet hat, der von einer Idee erfüllt ist. Und wer könnte seine Motivation hierfür besser zum Ausdruck bringen als er selbst wenn er sagt:
„Meine Gemälde sind Versuche, Antworten auf  fundamentale Fragen zu bekommen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Was tun wir hier? Und wohin gehen wir? Und durch die Suche nach diesen Antworten, ist mir bewusst geworden, dass unser alltägliches Leben, so gewöhnlich und einfach es auch sein mag, eine tiefere Bedeutung und einen tieferen Sinn hat.“ (2010)
Diese Suche wird in den dargestellten Figuren stellvertretend für die gesamte Menschheit zur Anschauung gebracht, die Brother Owusu-Ankomah in seinem >MICROCRON<-Zyklus in unterschiedlichen Situationen und angesichts des von ihm gefundenen Kreis-Symbols auf uns wirken lässt.